Ausgabe

SO EIN KÄSE

No. 42 | 2022/1

«Obacht Kultur» N° 42, 2022/1 zieht Fäden.

Auftritt: Brenda Osterwalder;
Bildbogen: Steff Signer;
Umschlag: Verena Sieber-Fuchs;
Texte: Gerold Späth, Myriam Schleiss, Dominik Flammer u.v.m.

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Thema

DAS GEHEIMNIS IST DIE WERBUNG SELBST

von Hanspeter Spörri

Im Appenzeller Käse, sagt die Werbung, stecke ein Geheimnis: das Rezept der Kräutersulz. Welches Geheimnis verbirgt sich hinter der Werbung? Nadine Borter, Inhaberin und Chefin der Werbeagentur Contexta, die für den Appenzeller Käse Werbung macht, antwortet mit einem Wort: Kontinuität. Auf sie werde in der heutigen Zeit leider viel zu wenig Wert gelegt. Aber Kontinuität sei in der Markenwerbung für den Appenzeller Käse wohl das eigentliche Erfolgsgeheimnis. Seit 51 Jahren arbeitet Contexta mit der Sortenorganisation Appenzeller Käse zusammen, seit 27 Jahren ist die Walliserin Nadine Borter mit dabei. Ob im Spiel mit den Appenzeller Klischees eine Gefahr lauere, will ich wissen. «Was heisst Klischee?», fragt sie zurück. «Wir zeigen die Natur im Appenzellerland. Die gibt es tatsächlich. Und wir zeigen den Humor. Der existiert im Appenzellerland ebenfalls. Der Schalk ist ein appenzellischer Kulturbeitrag. Man lernt ihn kennen, wenn man mit Appenzellern zu tun hat. Und wir zeigen auch den Grundstolz, der zu den Appenzellerinnen und Appenzellern gehört. Auch da weiss ich aus eigener Erfahrung: Er ist kein Klischee.» Mit den Werbeideen nehme man immer wieder Bezug auf den Zusammenhang zwischen Landschaft, Menschen und dem traditionsreichen Käse: «Dahinter steckt eine lange Entwicklung, eine Kultur, mit der wir respektvoll umgehen, wenn auch immer mit einer Prise Ironie.» Noch heute sei der Appenzeller Käse ein handwerkliches Produkt, entstehe dezentral in kleinen Dorfkäsereien. Und im Zweifelsfall schweigt man im Appenzellerland lieber als zu langweilen. Auch das reflektiert die Werbung für den Käse.» Wie geht die Walliserin Nadine Borter mit dem Appenzeller Eigensinn um? Beispielsweise indem sie beobachtet, welchen Einflüssen die Appenzellerinnen und Appenzeller unterliegen: «Die appenzellische Kultur, die Streichmusik, die Trachten, das Brauchtum entstammen nicht einer abgeschlossenen Kultur. Ganz im Gegenteil: Immer wieder waren es Einflüsse von aussen, die entscheidende Impulse auslösten. Die Offenheit für fremde Einflüsse ist ein Merkmal der appenzellischen Gesellschaft und Kultur.» Wie ähnlich sind sich Walliser und Appenzeller Besonderheiten? «Beide pflegen, was sie haben, sind sehr selbstbewusst, wirken dadurch manchmal stur. Beide Kulturen haben aber auch etwas Prachtvolles, bringen Lebensfreude zum Ausdruck. Und beide leben in einer Randregion, die sich aber ganz und gar nicht als Randregion versteht.» Kann es in der Werbung ein Zuviel an Trachten und Streichmusik geben? Das Appenzellerland, sagt Nadine Borter, sei ein Sehnsuchtsort für viele Menschen. «Klar, eine Alpabfahrt ist auch eine touristische Attraktion. Aber sie ist es deshalb, weil Brauchtum und Traditionen mit Begeisterung gepflegt werden. Das heisst nicht, dass die Menschen im Appenzellerland in ihrem Alltag nicht auch einem modernen Beruf nachgehen oder auswärts arbeiten. Aber die Verbundenheit ist da. Sie ist echt. Das ist es, was die Leute begeistert. Und das ist es, was die Werbung immer wieder neu interpretiert und erzählt.» Und wie entstehen die Ideen? Sitzt man zusammen, vielleicht bei einem Glas Saft, mit einem Käseplättchen, und denkt gemeinsam nach? Nadine Borter muss über die Frage lächeln: «Werbekampagnen zu entwickeln ist kein Hobby! Wir hocken nicht einfach zusammen und machen ein bisschen Brainstorming. Unser Erfolgsrezept ist es, sehr unterschiedliche Menschen zusammenzubringen, die einen gemeinsamen Mindset pflegen, eine Denkhaltung. Es braucht strategische Kompetenz, Leute, die Märkte und Zahlen verstehen – und Leute mit psychologischem Verständnis. Und am Ende muss jemand die Erkenntnisse und Einsichten kreativ umsetzen, eine Idee entwickeln. Es geht darum, ein paar wenige Sekunden Aufmerksamkeit zu erhaschen.» Contexta, ehemals im Berner Matte-Quartier direkt an der Aare angesiedelt, ist seit dreieinhalb Jahren ohne festen Firmensitz: «Wir richten unser Büro für einige Monate in einer Badi, bei einem Pizzakurier, einer Autowaschanlage, in einer Jugendherberge oder einer Kirche ein. Irgendwo zwischen Basel, Bern und Zürich. Das bezeichnen wir als kreatives Nomadentum. Wir sagen uns, dass jedes Problem mit menschlicher Wahrheit zu lösen sei. Deshalb haben wir den goldenen Käfig verlassen, die Welt der Powerpoint-Präsentationen. Wir sind da, wo das Leben stattfindet. Wir müssen uns an immer wieder anderen Orten neu orientieren. Nach dreieinhalb Jahren wissen wir: Das macht uns effizient und offen.»

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