Ausgabe

SO EIN KÄSE

No. 42 | 2022/1

«Obacht Kultur» N° 42, 2022/1 zieht Fäden.

Auftritt: Brenda Osterwalder;
Bildbogen: Steff Signer;
Umschlag: Verena Sieber-Fuchs;
Texte: Gerold Späth, Myriam Schleiss, Dominik Flammer u.v.m.

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Auftritt

«Heiri» von Brenda Osterwalder

von Ursula Badrutt

Im Hintergrund der Hof, im Vordergrund ein Mann, schwer auf der Schubkarre sitzend und sich die Augen reibend – die ganze Tristesse und Verzweiflung auf einen Schlag. Brenda Osterwalder hat die Vorlage zu ihrem Bild vor Jahren aus dem St. Galler Tagblatt ausgeschnitten. Lange hing das Zeitungsbild an der Atelierwand, wo es zunehmend vergilbte. Die Szene erinnerte die Künstlerin an einen Bauern in der Nachbarschaft ihrer Jugend, Heiri. Nach der Ablehnung der eidgenössischen Agrarinitiativen wurde das Foto für sie zu einer Stellvertreterszene, in der wie in einer assoziativen Mindmap das ganze Desaster von Landwirtschaftspolitik, Klimanotstand, Artensterben, aber auch subjektiver Ausweglosigkeit und Unglück enthalten ist. Ein persönliches Stimmungsbild zur «Sackgasse Milchwirtschaft», wie die Künstlerin selber sagt. Geboren 1971 und aufgewachsen in den Kantonen St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden hat Brenda Osterwalder nach Abschluss der Ausbildung zur Grafikerin die vermeintliche, von grünen Wiesen und Güllengeruch geprägte Idylle fluchtartig Richtung Berlin verlassen. Aus der Ferne wurden ihr die Ostschweizer Landschaft samt Kultur und Brauchtum zum Sehnsuchtsort. Seit 2009 lebt sie wieder in Speicher, erkennt die überdüngten Wiesen um sich herum als verödete Wüste und wünscht sich dringend eine andere Landwirtschafts- und Subventionspolitik – eine Wendung hin zu einem respektvollen Umgang mit Tier und Natur. Zwei freigestellte Objekte von klaren Formen und in harten Schwarzweiss-Tönen schützen und umklammern die feinteilige, sich in unzähligen Grauschattierungen beinah auflösende Malerei, deren Motiv nachhallt wie ein schwerer Traum. Aus dem Zusammenhang gelöst erinnern die beiden Geräte der traditionellen Käseherstellung – die Käseform, genannt Järb, und die Rahmkelle – an modernes Design und in ihrer Präsentation an aussereuropäische Kultgegenstände in älteren ethnologischen Publikationen. Es sind Zeugen einer Lebenswelt, die es so kaum mehr gibt. Es sei denn im Museum. Ob dort auch irgendwann die heutige Landwirtschaft samt ihren Pestiziden, der Massentierhaltung, Monokultur und industriellen Überproduktion Eingang finden wird, da sie von einer sanften, fairen, umweltverträglichen, mensch- und tiergerechten ganz abgelöst worden sein wird?

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